Ambulante Versorgung im ländlichen Raum neu denken

Magdeburg, 01. September 2023. „Wir wollen unsere Patientinnen und Patienten sicher und zuverlässig mit Arzneimitteln versorgen. Doch leider werden uns zusehends Steine in den Weg gelegt.“ Mit diesen Worten eröffnete Dr. Jens-Andreas Münch, Präsident der Apothekerkammer Sachsen-Anhalt, seine Ansprache auf dem 8. gesundheitspolitischen Forum in Magdeburg. Münch führte weiter aus: „Im Apothekengesetz – also unserem Grundgesetz – steht, dass wir im öffentlichen Interesse eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln absichern sollen. Wenn also der Staat durch seine Gesetzgebung dieses einfordert, ist er im Gegenzug verpflichtet, dafür zu sorgen, dass das möglich ist. Diese Aufgabe wird jedoch seit Jahren auf das Sträflichste vom Staat vernachlässigt.“

Hintergrund dieser Aussage war ein Treffen von Akteuren aus dem sachsen-anhaltinischen Gesundheitswesen im Magdeburger Otto-von-Guericke-Zentrum am 30. August 2023. Dort diskutierte Wolfgang Beck, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, mit Dr. Torsten Kudela, Vorsitzender des Hausärzteverbandes und Dr. Münch über die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum.

Schwerpunktmäßig ging es um Konzepte und Ansätze, die ländlich geprägten Regionen des Landes mit kurzen Wegen weiterhin gut zu versorgen. Dabei kamen von Seiten der anwesenden Krankenkassenvertreter und auch der Landtagsabgeordneten zahlreiche interessante Denkanstöße zur Sprache. Dr. Münch betonte, „heutzutage sind viele alternative Ideen auf dem Markt, wie die benötigten Arzneimittel zum Patienten kommen. Nicht eine erfüllt bisher die Anforderung an eine optimale Versorgung. Das kann nur ein flächendeckendes Netz der Vor-Ort-Apotheken leisten, in dem, egal von wo, in angemessener Zeit eine Apotheke zum persönlichen Kontakt erreichbar ist. Denn es geht um mehr als reine Logistik, es geht von Beratung über viele Zusatzleistungen hinaus bis hin zum nicht zu unterschätzendem sozialen Kontakt.“

Die Pandemie habe gerade erst die Leistungsfähigkeit dieses kleinteiligen Netzwerkes unter Beweis gestellt. Es kann und muss durch sinnvolle Angebote weiter ausgebaut und verbessert werden. Vor allem aber müsse es um jeden Preis erhalten werden, damit es noch Akteure gibt, die sich vor Ort um die Sorgen und Nöte der Menschen kümmern. In diesem Punkt waren sich alle Anwesenden einig.

Sicherlich könne die Frage gestellt werden, wie viele Apotheken im Flächennetz mindestens notwendig seien. Doch die Lage ist schon heute ernst. Fast 3.800 Apotheken schlossen seit der Jahrtausendwende bundesweit für immer ihre Türen. Bildlich gesehen ist das die Zahl an Apotheken, die bisher in den neuen Bundesländern und Berlin die Menschen versorgt haben. Eine weitere Abnahme der Apothekenzahlen muss im Interesse der ländlichen Bevölkerung unbedingt gestoppt werden. Münch: „Auf dem Land werden die Wege für Patienten sonst immer weiter. Zusätzlich wächst der Aufwand für die verbleibenden Apotheken enorm. Mit Rezeptsammelstellen als beste Notlösung müssen immer weitere Wege überbrückt werden. Die Notdienstbelastung der Apotheken steigt, der allgegenwärtige Personalmangel gerade auf dem Land verstärkt das Problem. Leidtragende sind letztlich die Patienten. Darum müssen wir gegensteuern!“

Um die Lage für alle Apotheken zu entschärfen, benötigt die Apothekerschaft dringend eine angemessene Anpassung der Honorierung sowie verlässliche Aussagen der Politik für eine Planungssicherheit. Eine bessere Vernetzung mit der Ärzteschaft würde auch manches Problem schneller lösen. So listete Dr. Münch Probleme im Zusammenhang mit Multimorbidität und Polymedikation auf. Die Vermeidung von Anwendungsfehlern und die Förderung der Adhärenz helfe nachweislich, Gesundheitsschäden und unnötige Krankenhauseinweisungen zu vermeiden. Patienten könnten dadurch viel länger ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden führen, was gerade in ländlichen Gebieten wichtig ist.

Als Optimum bezeichnete der Kammerpräsident die flächendeckende Einführung eines echten Medikationsmanagements in klar definierter und abgegrenzter Zusammenarbeit von Ärzten und Apothekern. „Für solche Formen der Zusammenarbeit bin ich gerne bereit, das bestehende System neu zu denken. Es hat für mich großes Potential, die Patientenversorgung im bestehenden System spürbar zu verbessern. Abläufe sowohl in der Arztpraxis als auch in der Apotheke werden erleichtert und im besten Fall werden sogar noch erhebliche Kosten im System eingespart“, so Dr. Münch.

Staatssekretär Beck brachte es auf den Punkt: „Wir haben im Land ein Knappheitsproblem.“ Darum müssten künftig alle Bereiche zusammenrücken und miteinander arbeiten. Niemand wolle jemandem etwas wegnehmen, sondern eine Kooperation helfe, die Versorgung neu zu denken und zu organisieren. Am Ende gab es reichlich Gesprächsbedarf unter den Teilnehmenden. So fanden angeregte Diskussionen am Ende der Veranstaltung in kleineren Kreisen statt.

Fotos:
Podium: Dr. Torsten Kudela, Wolfgang Beck, Petra Schwarz und Dr. Jens-Andreas Münch (v.l.) beim gesundheitspolitischen Forum

Teilnehmer: Vertreter aus Politik, Krankenkassen und Vertreter der Ärzte- und Apothekerschaft diskutierten über die Herausforderungen der ambulanten Versorgung im ländlichen Bereich

Quelle Fotos: AKSA

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